Gesellschafter darf laut dem polnischen GmbH-Recht die auf einer Gesellschafterversammlung getroffen Gesellschafterbeschlüsse anfechten. Die Voraussetzungen der Anfechtung der Beschlüsse sind jedoch in Polen streng. Die Möglichkeit der Anfechtung dient dem Schutz der Interessen der Gesellschaft und dem Schutz der Interessen der bestimmten Kategorie der berechtigten Personen, die zur Anfechtung der Beschlüsse berechtigt sind. Die Anfechtung dient auch der Beseitigung der mangelhaften Beschlüsse.
Polnisches GmbH-Recht sieht zwei Arten der Beschlussanfechtungsklagen voraus:
a) Klage auf Aufhebung des Beschlusses
Ein Gesellschafterbeschluss, der mit dem Gesellschaftsvertrag oder mit den guten Sitten unvereinbart ist und gegen die Gesellschaftsinteresse verstoßt oder einem Gesellschafter schädigen sollte, darf im Wege einer gegen die Gesellschaft gerichteten Klage auf Aufhebung des Beschlusses angefochten werden (Art. 249 des polnischen Gesetzes über Handelsgesellschaften).
Zur Erhebung der Klage auf Aufhebung des Beschlusses sind in Polen berechtigt:
▪ Vorstand, Aufsichtsrat, Revisionskommission und die einzelnen Mitglieder dieser Organe,
▪ Gesellschafter, der gegen den Beschluss gestimmt hat und nach der Beschlussfassung seinen Wiederspruch zu Protokoll erhoben hat,
▪ Gesellschafter, dem die Teilnahme an der Gesellschaftsversammlung ohne wichtigen Grund verweigert wurde,
▪ Gesellschafter, der an der Gesellschafterversammlung nicht teilgenommen hat, aber nur in dem Fall einer fehlerhaften Einberufung der Gesellschafterversammlung oder im Fall der Beschlussfassung außer Tagesordnung,
bei schriftlicher Beschlussfassung, Gesellschafter, dessen Stimme unbeachtet geblieben ist, oder der mit der schriftlichen Abstimmung nicht einverstanden war oder gegen den Beschluss gestimmt und nach Erhalt der Auskunft über Beschlussfassung innerhalb von zwei Wochen den Widerspruch hat.
Praxistipp
Die meisten Fälle betreffen die Gesellschafter, die an der Gesellschafterversammlung teilnehmen. Wenn ein Gesellschafter davon ausgeht, dass die Gesellschafterbeschlüsse gegen die Gesellschaftsinteresse verstoßen könnten oder ihm direkt schädigen könnten, sollte er sich noch vor der geplanten Gesellschafterversammlung an Geschäftsführung wenden und die Informationen über Gesellschafterbeschlüsse einfordern, insbesondere bezüglich der Begründung der einzelnen Beschlüsse. Aus prozessualen Gründen sollte alle Korrespondenz schriftlich erfolgen (E-Mail, Fax). Während der Gesellschafterversammlung in Polen sollte der Gesellschafter die Fragen zu den streitigen Beschlüsse stellen und an der Diskussion aktiv teilnehmen. Er sollte sich darum kümmern, dass die Diskussion und seine Fragen möglichst umfassend protokolliert werden. Der Gesellschafter darf in keinem Fall vergessen, nach jeder Beschlussfassung den Wiederspruch zum Protokoll angeben, wenn er konkreten Beschluss später anfechten will. Die Begleitung eines polnischen Anwalts ist in jedem Fall empfehlenswert.
Frist
Man darf nicht vergessen, dass die Anfechtungsfrist in Polen sehr kurz ist. Die Klage auf Aufhebung des Gesellschafterbeschlusses muss innerhalb von einem Monat ab dem Tag der Kenntniserlangung über den Beschluss, nicht jedoch später als binnen sechs Monaten ab dem Tag der Beschlussfassung eingelegt werden (Art. 251 des polnischen Gesetzes über Handelsgesellschaften).
b) Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses
Die oben erwähnten Personen und Organen der GmbH-Gesellschaft dürfen gegen die Gesellschaft die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines gesetzwidrigen Gesellschafterbeschlusses einlegen (Art. 252 § 1 des polnischen Gesetzes über Handelsgesellschaften).
Unter dem Begriff „gesetzwidriger Gesellschafterbeschluss“ versteht man die Verletzung der Vorschriften des Gesetzes über Handelsgesellschaften aber auch anderer Rechtsakten, wie Gesetze, EU-Verordnungen, internationale Übereinkommen. Es bedarf jedoch die Prüfung des Einzelfalles, ob zu einer obigen Verletzung tatsächlich gekommen ist.
Als interessantes Beispiel kann man auf Art. 231 § 1 des polnischen Gesetzes über Handelsgesellschaften verwiesen. Danach muss eine ordentliche Gesellschafterversammlung innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss jedes Geschäftsjahres stattfinden. Nicht selten werden die Beschlüsse, die im Rahmen einer ordentlichen Gesellschafterversammlung gefasst werden sollten, wie Genehmigung des Jahresabschlussberichts, jedoch erst nach viele Monaten oder sogar Jahren gefasst. Es ist zwar unzulässig und rechtswidrig aber kommt in der Praxis oft vor. Eine automatische Anerkennung solcher Beschlüsse als gesetzwidrigen würde dazu führen, dass z.B. die Jahresabschlüsse nie genehmigt werden könnten.
Die Problematik der Beschlussanfechtung gehört zu den komplizierten Fragen des polnischen Gesellschaftsrechts. Die Beratung eines erfahrenen Gesellschaftsrechtlers ist wegen einer umfassenden Rechtsprechung eigentlich notwendig.
Berlin, Posen, Stettin 14.03.2019
Pawel Majewski, LL.M. (Universität Potsdam)
Polnischer Anwalt (Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin)