Einführung

Gemäß Art. 991 des polnischen Zivilgesetzbuches haben die Nachkommen, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers, die kraft Gesetzes zur Erbschaft berufen wären, Anspruch auf einen Pflichtteil.

Der Pflichtteil kann nur dann beansprucht werden, wenn der Berechtigte den Wert des Pflichtteils weder in Form einer Erbschaft noch in Form einer Schenkung oder eines Vermächtnisses vom Erblasser erhalten hat.

Berechnung des Pflichtteils

Der Wert des Pflichtteils wird auf folgende Weise berechnet:

Pflichtteil = A x B x C

A - Anteil, der von der Person abhängt, die den Pflichtteil beansprucht:

- 1/2 - wenn die Person arbeitsfähig und volljährig ist

- 2/3 - wenn die Person dauerhaft arbeitsunfähig oder minderjährig ist

B - Anteil am Erbe der Person, die den Pflichtteil beansprucht (nach dem Gesetz)

Wenn von einem Erblasser z.B. zwei Personen erben, beträgt der Anteil jeder Person am Erbe 1/2.

C - das sogenannte "Substrat des Pflichtteils", d.h. der Wert des vom Erblasser (Verstorbenen) hinterlassenen Erbes.

Es wird wie folgt berechnet:

C = Vermögen der Erbschaft (Aktiva) - Verbindlichkeiten (Schulden) der Erbschaft + vom Erblasser vorgenommene Schenkungen und Damnationslegaten.

Beispiel:

Vater (X) stirbt. Nach dem Gesetz erben nur zwei Söhne (Y und Z) von ihm. Einer der Söhne (Y) erhielt vor seinem Tod 100.000 PLN von seinem Vater. Der Vater hatte keinen anderen Besitz. Die Beerdigung seines Vaters kostete 10.000 PLN. Sein beschenkter Sohn Y hat dafür bezahlt. Der andere Sohn (Z) will von seinem Bruder einen Pflichtteil fordern. Er (Sohn Z) ist volljährig und arbeitsfähig.

Der Pflichtteil des Sohnes Z wird wie folgt berechnet:

A x B x C

A = ½ - weil Sohn Z arbeitsfähig und volljährig ist   

B = ½ - weil Sohn Z und Sohn Y 1/2 von ihrem Vater erben          

C = 0 (kein Vermögen) - 10 000 (Bestattungskosten) + 100 000 (Schenkung an Sohn Y) 

PFLICHTTEIL = ½ x ½ x 90.000 = 22.500

Das Ergebnis: Der zweite Sohn (Z) kann von seinem Bruder (Y) einen Pflichtteil von 22.500 PLN beanspruchen.

Natürlich basiert das obige Beispiel auf einem einfachen Sachverhalt. In der Praxis ist es in der Regel am schwierigsten den Wert des Pflichtteils zu bestimmen, aufgrund der komplizierten Regeln für die Zählung von Schenkungen und Damnationslegaten zu dem Substrat.

Dieses Problem wird in Artikel 994 ff. des polnischen Zivilgesetzbuches beschrieben:

Bei der Berechnung des Pflichtteils sind kleinere Schenkungen, die für die jeweiligen Verhältnisse gewöhnlich sind und diejenigen, die vor mehr als zehn Jahren vor Anfall der Erbschaft rückwirkend betrachtet zugunsten von Personen vorgenommen worden sind, die keine Erben oder Pflichtteilberechtigte sind, zur Erbschaft nicht dazuzurechnen.

Umgekehrt sollte darauf hingewiesen werden, dass Schenkungen des Erblassers an Erben oder Personen, die Anspruch auf einen Pflichtteil haben, unabhängig vom Zeitpunkt der Schenkung zum Substrat des Pflichtteils hinzugerechnet werden.

Bei der Berechnung eines Pflichtteils, der einem Abkömmling zusteht, werden Schenkungen, die der Erblasser zu der Zeit gemacht hat, als er noch keine Abkömmlinge gehabt hat, zur Erbschaft nicht dazugerechnet. Dies gilt jedoch nicht, wenn eine Schenkung später als dreihundert Tage vor der Geburt des Abkömmlings gemacht worden ist.

Bei der Berechnung eines Pflichtteils, der dem Ehegatten zusteht, sind Schenkungen, die der Erblasser zu der Zeit vor der Eheschließung an seinen Ehegatten geleistet hat, zur Erbschaft nicht dazuzurechnen.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei der Berechnung des Betrags eines Pflichtteils der Schenkung für eine bestimmte Person Spenden und Damnationslegaten, die der Erbe zuvor vom Erblasser erhalten hat, vom Wert des Pflichtteils abgezogen werden sollten.

In komplexeren Situationen kann es sich herausstellen, dass andere Werte von dem Pflichtteil abgezogen werden müssen. Zum Beispiel gemäß Artikel 997 des polnischen Zivilgesetzbuches: Ist ein Abkömmling des Erblassers pflichtteilberechtigt, so werden auf den ihm zustehenden Pflichtteil die vom Erblasser getragenen Kosten seiner Erziehung sowie seiner Allgemeinbildung und beruflichen Ausbildung angerechnet, soweit diese Kosten das durchschnittliche, in dem jeweiligen Milieu gewöhnliche Maß überschreiten.

Verjährung

Das Wichtigste ist jedoch, die relativ kurze Verjährungsfrist der Pflichtteilsansprüche.

Gemäß Artikel 1007 des Zivilgesetzbuches verjähren die Pflichtteilsansprüche des Berechtigten sowie die Ansprüche der Erben auf Herabsetzung der Damnationslegate und Auflagen mit Ablauf von fünf Jahren nach der Verkündigung des Testaments.

Ein Anspruch gegen eine Person, die aufgrund eines vom Erblasser erhaltenen Vindikationslegats oder einer Schenkung zur Ergänzung des Pflichtteils verpflichtet ist, verjährt mit Ablauf von fünf Jahren nach Anfall der Erbschaft.

Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar. Die Erbsachen sind oft umfangreich und kompliziert und bedürfen eine fachliche Rechtsberatung. 

Berlin, Posen, Stettin, den 06.08.2020

MAJEWSKI Polnischer Anwalt