▪ Einleitung
Die Haftung von Geschäftsführern für Schäden, die einer polnischer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (spółka z o.o.) zugefügt werden, ist eine der wichtigsten Fragen im polnischen Wirtschafts- und Handelsrecht.
Die Geschäftsführung als das Organ, das die Gesellschaft vertritt und ihre Geschäfte führt, hat die Pflicht, im besten Interesse der Gesellschaft mit der erforderlichen Sorgfalt und Loyalität zu handeln.
Im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Pflichten können die Mitglieder der Geschäftsführung für Schäden, die der Gesellschaft entstanden sind, haftbar gemacht werden.
In diesem Beitrag werden die Grundsätze und der Umfang der Haftung der Geschäftsführern für Schäden, die sie der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zufügen, in Übereinstimmung mit den geltenden Rechtsvorschriften dargelegt.
▪ Wer haftet für Schäden, die einer polnischen GmbH zugefügt werden?
Nach der Regelung in Artikel 293 § 1 des Gesetzbuschs über die Handelsgesellschaften (ferner als KSH genannt – KSH ist die polnische Abkürzung dieses Gesetztes) haften die Mitglieder der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats, des Prüfungsausschusses und die Liquidatoren gegenüber der Gesellschaft für den Schaden, der ihr durch eine Handlung oder Unterlassung entstanden ist, die gegen das Gesetz oder die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages verstößt - unter der Voraussetzung des Verschuldens.
Mit anderen Worten: Für Schäden, die einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugefügt werden, können folgende Personen haftbar gemacht werden
- die Mitglieder der Geschäftsführung,
- die Mitglieder des Aufsichtsrates,
- die Mitglieder des Prüfungsausschusses,
- Liquidatoren.
nur dann, wenn diese Personen durch ihr Handeln oder Unterlassen einen Schaden verursacht haben, der gegen das Gesetz oder die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages verstößt, und sie sich in dieser Hinsicht schuldig gemacht haben.
Die in Artikel 293 § 1 KSH enthaltene Norm ist zwingend in dem Sinne, dass sie nicht auf der Grundlage eines Gesellschaftsvertrags oder einer Vereinbarung mit einer bestimmten, in dieser Bestimmung genannten Person ausgeschlossen werden kann.
▪ Charakter der Haftung für Schäden, die dem Unternehmen zugefügt wurden
Die Haftung nach Artikel 293 § 1 KSH ist persönlicher, primärer, unbegrenzter und kompensatorischer Natur. Dies bedeutet, dass die in der Bestimmung genannten Personen persönlich für den Schaden haften und die volle Haftung für den verursachten Schaden tragen.
Diese Haftung hat ebenfalls einen inneren Charakter, da sie das Verhältnis zwischen den Mitgliedern der Gesellschaftsorgane und der Gesellschaft selbst betrifft. Außerdem handelt es sich um eine vertragliche Haftung, da sie sich aus der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflichten ergibt, die sich aus der Bestellung zum Mitglied der Geschäftsleitung ergeben.
▪ Voraussetzungen für die Haftung der Geschäftsführer
Die Voraussetzungen für die Haftung nach Artikel 293 § 1 KSH sind:
- eine Handlung oder Unterlassung eines Mitgliedes der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates, des Prüfungsausschusses oder des Liquidators, die gegen das Gesetz oder die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages verstößt.
- schuldhaftes Handeln oder Unterlassen.
- Schaden, der der Gesellschaft entstanden ist.
- Adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der rechtswidrigen und schuldhaften Handlung oder Unterlassung.
▪ Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses für die Geltendmachung eines Anspruchs
Gemäß Artikel 228 Absatz 2 KSH muss der Geltendmachung eines Anspruchs auf Ersatz eines in Ausübung der Geschäftsführung oder Aufsicht verursachten Schadens ein Beschluss der Gesellschafterversammlung vorausgehen. Dieser Beschluss ist auch dann erforderlich, wenn ein auf Artikel 293 § 1 KSH gestützter Anspruch der Aufrechnung durch die Gesellschaft unterworfen werden soll.
Allein die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ermöglicht es, der Gesellschaft nach der Organtheorie den Willen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zuzurechnen. Denn ein Beschluss zur Geltendmachung eines Anspruchs trägt die Züge einer Willenserklärung, bringt das rechtliche Interesse des Eigentümers und seinen Rechtsschutzwillen zum Ausdruck (Urteil des Berufungsgerichts in Warschau - VII. Wirtschaftsabteilung vom 7. Juni 2018, Az. VII AGa 156/18).
▪ Schuld als Grundlage für die Haftung
Wie bereits in diesem Artikel angedeutet, ist die Grundlage für die Haftung nach Artikel 293 § 1 KSH das Verschulden.
Ein Verschulden ist einem Mitglied der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats, des Prüfungsausschusses und des Liquidators zuzurechnen, wenn es die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Das Verschulden ist einer bestimmten, in Artikel 293 § 1 KSH genannten Person zuzurechnen - ein anonymes Verschulden reicht nicht aus (Kodeks spółek handlowych. Komentarz. red. Jara 2024, wyd. 5).
Für die Haftung nach Artikel 293 § 1 KSH ist der Grad des Verschuldens unerheblich - sowohl ein Geschäftsführungsmitglied als auch der Aufsichtsrat, der Prüfungsausschuss und der Liquidator haften für den betreffenden Schaden, wenn ihnen ein auch nur geringfügiges Verschulden zur Last gelegt werden kann.
▪ Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsführers - Business Judgement Rule
Der Sorgfaltsmaßstab, dessen Einhaltung ein fahrlässiges Verschulden ausschließt, wurde über die allgemeinen Normen, die sich aus den Bestimmungen des polnischen Zivilrechts ergeben, hinaus angehoben und sollte unter Berücksichtigung des beruflichen Charakters der von der verantwortlichen Person, die das Nichtvorliegen eines Verschuldens nachweisen will, ausgeübten Tätigkeit bewertet werden.
Die Mitglieder der Gesellschaftsorgane und die Liquidatoren sollten ihre Aufgaben mit der Sorgfalt erfüllen, die sich aus dem beruflichen Charakter ihrer Tätigkeit ergibt. Dazu gehören insbesondere die Vertrautheit mit organisatorischen und finanziellen Abläufen, aber auch mit der Verwaltung der Humanressourcen und die Kenntnis des geltenden Rechts und seiner Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit.
Die Rechtslehre besagt, dass die Übernahme der Aufgaben eines Geschäftsführungsmitglieds ohne ausreichende Ausbildung und Kenntnisse oder Erfahrungen, die für die Führung der Geschäfte und die Vertretung erforderlich sind, als Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu qualifizieren ist (Urteil des Berufungsgerichts in Łódź - I Zivilabteilung vom 16. April 2014, Az. I ACa 1157/13).
Das betreffende Sorgfaltsmaß erfordert eine Individualisierung in jeder Situation. Die Bestimmung der in einem bestimmten Fall erforderlichen Sorgfalt hängt von der Größe des Unternehmens sowie von der Bedeutung der vorgenommenen Handlung ab.
▪ Die Haftung ausschließende Umstände
Artikel 293 § 1 KSH nennt nicht direkt die Umstände, die die Haftung ausschließen. Die Haftung der Mitglieder der Gesellschaftsorgane kann jedoch ausgeschlossen werden, wenn die Verschuldensvermutung widerlegt werden kann.
Es ist jedoch wichtig, die praktische Relevanz des Handelns auf der Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses für die betreffende Haftung zu berücksichtigen.
Das Tätigwerden eines Mitglieds der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats, des Prüfungsausschusses und des Liquidators auf der Grundlage eines Beschlusses eines Gesellschaftsorgans ist im Rahmen der Haftung nach Artikel 293 § 1 KSH nicht relevant und stellt keinen haftungsbefreienden Umstand dar.
Zwingt die Umsetzung des Beschlusses nämlich zu Handlungen, die dem Gesetz zuwiderlaufen oder einen Verstoß gegen die Satzung der Gesellschaft darstellen, sollte das Organmitglied von der Umsetzung des Beschlusses Abstand nehmen und eine Klage auf Nichtigerklärung oder Widerruf des Beschlusses einreichen.
Die Lehre weist zutreffend darauf hin, dass Organmitglieder nicht verpflichtet sind, Beschlüsse mechanisch auszuführen, insbesondere wenn sie sich dadurch einer Haftung nach Artikel 293 § 1 KSH aussetzen könnten.
▪ Zusammenfassung
Die Geschäftsführer einer polnischen spółka z o.o. haften persönlich für Schäden, die sie der Gesellschaft durch pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen zufügen. Nach Artikel 293 § 1 KSH betrifft diese Haftung auch Mitglieder des Aufsichtsrats, des Prüfungsausschusses und Liquidatoren, sofern ein Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Pflichten sowie ein Verschulden nachgewiesen werden kann.
Die Haftung ist persönlich, unbegrenzt und kompensatorisch und setzt vier Voraussetzungen voraus:
- Rechtswidriges Verhalten eines Organmitglieds,
- Verschulden,
- Ein konkreter Schaden für die Gesellschaft,
- Ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Schaden.
Ein Gesellschafterbeschluss ist erforderlich, um Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer geltend zu machen. Die Sorgfaltspflicht wird anhand der Business Judgement Rule bewertet – Geschäftsführer müssen ihre Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erfüllen. Fehlende Qualifikationen oder unzureichende Kenntnisse können bereits als Pflichtverletzung gewertet werden.
Die Haftung kann ausgeschlossen werden, wenn der Geschäftsführer nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Ein Gesellschafterbeschluss entbindet ihn nicht von der Verantwortung, wenn die beschlossene Handlung gegen geltendes Recht oder die Satzung verstößt. In solchen Fällen sollte der Geschäftsführer die Umsetzung verweigern und rechtliche Schritte gegen den Beschluss einleiten.
Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar.
Berlin, den 18.02.2025
Pawel Majewski, LL.M. Polnischer Anwalt
Natalia Paraszczak Polnische Rechtsanwältin