Sehr oft stellt das Vollstreckungsverfahren in Polen eine erzwungene und belastende Situation für den Schuldner dar. Es kommt dann vor, dass der Schuldner, um das Vermögen seines Unternehmens zu retten, Straftaten begeht, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Infolgedessen können die finanziellen Probleme mit einer Anklage im Strafverfahren einhergehen.

Was gilt als Schuldnerdelikt in Polen?

Straftaten im Zusammenhang mit Vollstreckungsverfahren sind in Artikel 300 ff. des polnischen Strafgesetzbuches geregelt.

Art.  300.  § 1.  Wer bei Überschuldungsgefahr oder drohender Insolvenz die Befriedigung eines Gläubigers ganz oder teilweise kürzt, indem er Bestandteile seines Vermögens beiseiteschafft, verheimlicht, veräußert, verschenkt, zerstört, tatsächlich oder anscheinend belastet oder beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.

  • 2.  Wer mit dem Ziel, den Vollzug der gerichtlichen Entscheidung oder Entscheidung eines staatlichen Organs zu verhindern, die Befriedigung des Gläubigers dadurch ganz oder teilweise kürzt, indem er sichergestellte oder von Sicherstellung bedrohte Bestandteile seines Vermögens beiseiteschafft, verheimlicht, veräußert, verschenkt, zerstört, tatsächlich oder anscheinend belastet oder beschädigt sowie ein amtliches Zeichen der Beschlagnahme entfernt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (…)

Ein solches Verhalten stellt eine verbotene Handlung dar, wenn es in einer Situation begangen wird, in der dem Schuldner der Konkurs oder die Zahlungsunfähigkeit droht. Gemäß Artikel 10 des polnischen Insolvenzgesetzes wird der Konkurs erklärt, wenn der Schuldner zahlungsunfähig wird.

Insolvenz hingegen ist eine Situation, in der der Schuldner seinen fälligen Verpflichtungen nicht nachkommt. Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Organisationseinheit ohne Rechtspersönlichkeit, der durch ein gesondertes Gesetz Rechtsfähigkeit verliehen wird, ist er auch dann zahlungsunfähig, wenn seine Geldverpflichtungen den Wert seines Vermögens übersteigen und dieser Zustand länger als 24 Monate andauert (Artikel 11 Absatz 2 des polnischen Insolvenzgesetzes). Es wird vermutet, dass ein Schuldner die Fähigkeit zur Erfüllung seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen verloren hat, wenn die Verzögerung bei der Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen drei Monate überschreitet. Der Schuldner ist verpflichtet, nicht später als innerhalb von dreißig Tage ab dem Tag, an dem die Grundlage für Eröffnung der Insolvenz eingetreten ist, den Antrag auf Insolvenzeröffnung zu stellen. (Art. 21 Absatz 1 des polnischen Insolvenzgesetzes).

Befindet sich der Schuldner in einer finanziellen Situation, die eindeutig auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hindeutet und unternimmt er trotzdem Handlungen im Sinne von Artikel 300 des polnischen Strafgesetzbuches, die darauf abzielen, die Befriedigung der Gläubiger zu vereiteln oder zu erschöpfen, muss er dabei die drohende strafrechtliche Haftung berücksichtigen.

Art.  301.  § 1.  Wer als Schuldner mehrerer Gläubiger laut geltenden Vorschriften eine wirtschaftliche Organisationseinheit gründet und Bestandteile seines Vermögens auf sie überträgt, um die Befriedigung der Gläubiger ganz oder teilweise zu kürzen, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

  • 2.  Wer als Schuldner mehrerer Gläubiger seine Insolvenz herbeiführt, wird mit der gleichen Strafe bestraft.
  • 3.  Wer als Schuldner mehrerer Gläubiger durch Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtsinnig die Insolvenz herbeiführt, insbesondere dadurch, dass er Bestandteile seines Vermögens verschwendet, Verbindlichkeiten eingeht oder Geschäfte abschließt, die den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechen, wird mit Geldstrafe, Freiheitsbeschränkung oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.

Artikel 301 des polnischen Strafgesetzbuches bestraft das Verhalten von Schuldnern, die versuchen, ihr Vermögen in neu gegründete Unternehmen zu übertragen. Dies gilt sowohl dann, wenn es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person handelt, die Vermögenswerte auf eine neu gegründete handelsrechtliche Gesellschaft überträgt, als auch dann, wenn der Täter ein zahlungsunfähiges Unternehmen repräsentiert und versucht, die Vermögenswerte aus diesem Unternehmen in ein anderes neues Unternehmen zu verlagern. In § 2 wird ebenfalls die vorsätzliche Insolvenz unter Strafe gestellt.

Art.  302.  § 1.  Wer im Falle drohender Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage ist seine Gläubiger zu befriedigen, freigewählte Gläubiger befriedigt oder absichert und dadurch weitere Gläubiger benachteiligt, wird mit Geldstrafe, Freiheitsbeschränkung oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.

  • 2.  Wer einem Gläubiger einen Vermögensvorteil dafür gewährt oder verspricht, dass er im Insolvenz- oder Vergleichsverfahren andere Gläubiger benachteiligt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.

Daraus folgt, dass die strafbare Handlung darin besteht, nur bestimmte Gläubiger zu begünstigen. Jede Befriedigung eines Gläubigers ohne Berücksichtigung der anderen Gläubiger, gegenüber denen der Schuldner auch aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit nicht leisten kann, ist unrechtmäßig. Es ist wichtig, dass der Gläubiger durch das Handeln des Schuldners keinen tatsächlichen Schaden erleiden muss. Es ist nur dann von Bedeutung, dass die Begünstigung eines anderen Gläubigers eine Handlung zum Nachteil der anderen ist, wenn der Schuldner nicht über ausreichende Mittel verfügt, um jeden von ihnen zu befriedigen.

Zunächst ist daran zu erinnern, dass es für die Begehung der in den oben genannten Artikeln genannten Straftaten nicht erforderlich ist, dass ein Vollstreckungsverfahren gegen den Täter eingeleitet wird. Es genügt, wenn sich der Täter bewusst ist, dass er in Gefahr ist, zahlungsunfähig zu werden oder bankrott zu gehen. Nur im Falle einer Straftat nach Artikel 300 § 2 des polnischen Strafgesetzbuches ist es erforderlich, dass gegen den Schuldner eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ergeht. Bei anderen Delikten zählt nur die tatsächliche finanzielle Situation des Unternehmens.

Daher ist es sehr wichtig, die finanzielle Situation des eigenen Unternehmens laufend zu überwachen. Bei zu erwartenden Solvenzproblemen ist es besser, im Vorfeld einen professionellen Anwalt zu konsultieren, um nicht nur eine Schuldenspirale, sondern auch eine strafrechtliche Verantwortung für die Begehung des Verbrechens des Wirtschaftsbetrugs oder der oben genannten Vollstreckungstaten zu vermeiden. Für den Schutz des persönlichen Vermögens der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist es auch von entscheidender Bedeutung, der Verpflichtung nachzukommen, rechtzeitig einen Antrag auf Insolvenzantrag des Unternehmens zu stellen.

Berlin, Posen, Stettin, den 08.07.2020

MAJEWSKI Polnischer Anwalt