In jüngster Zeit hat sich unsere polnische Anwaltskanzlei mit einem Scheidungsfall beschäftigt, bei dem eine polnische Staatsbürgerin gegen einen deutschen Staatsbürger einen Scheidungsklageantrag bei einem Gericht in Mittelpolen eingereicht hat. Zu Beginn des Gerichtsverfahrens stellte sich die rechtliche Frage, ob das polnische Gericht für die Entscheidung eines Scheidungsfalls einer polnischen Bürgerin gegen einen deutschen Bürger zuständig ist.

Bei Scheidungsfällen mit grenzüberschreitendem Charakter tritt häufig das folgende Szenario auf. Man hat in Deutschland geheiratet. Der Partner mit der deutschen Staatsangehörigkeit wurde nie in Polen angemeldet oder hat keinen ständigen Wohnsitz in Polen. Er lebt ausschließlich in Deutschland und ist dort auch angemeldet. Dahingegen ist eine polnische Staatsbürgerin oft in Polen und Deutschland angemeldet. Sie arbeitet in Deutschland und profitiert von deutschen Sozialleistungen, wie z.B. dem Kindergeld. In Polen hat sie eine Wohnung oder ein Haus. Sie verbringt ihre Ferien und Pausen zwischen den weiteren Verträgen / Aufträgen / Arbeiten, die sie in Deutschland ausführt, in Polen.

In einer solchen Situation steht eine Person aus Polen vor der schwierigen Entscheidung, in welchem Land sie die Scheidung beantragen soll. Es ist offensichtlich, dass ein Pole möchte, dass sein Fall vor einem polnischen Gericht in seiner Muttersprache verhandelt wird. Die Frage der Gerichts- und Anwaltskosten ist auch nicht ohne Bedeutung. Der deutsche Staatsbürger wird hingegen die Verhandlung vor einem deutschen Gericht bevorzugen, weil dort die Angelegenheit in seiner Sprache verhandelt wird.

Um das Land zu bestimmen, in dem ein Scheidungsantrag bei einem Gericht gestellt werden muss, ist es notwendig, die gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen, die diese Angelegenheiten regeln.

Die Problematik der Gerichtsbarkeit in Ehesachen, auch in Scheidungsfällen, wird durch die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 geregelt.

Laut Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 sind für Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet

  • beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder
  • die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
  • der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
  • im Fall eines gemeinsamen Antrags einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
  • der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder
  • der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats ist oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, dort sein "domicile" hat.

Darüber hinaus darf nach Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 gegen einen Ehegatten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist oder im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein "domicile" im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat, ein Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur nach Maßgabe der Artikel 3, 4 und 5 geführt werden.

Der einfachste Weg, um die Zuständigkeit eines polnischen Gerichts zu begründen, kann, sofern keine anderen Zuständigkeitsgründe vorliegen, darin bestehen, sich darauf zu berufen, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Polen hat, also wenn er unmittelbar vor Einreichung des Scheidungsantrags mindestens sechs Monate in Polen gewohnt hat und polnischer Staatsbürger ist.

Es stellt sich jedoch die Frage, wie der Satz "wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat" korrekt auszulegen ist. Zu diesem Zweck kann auf die polnische Rechtslehre verwiesen werden. Die in der Zivilprozessordnung enthaltenen Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit in Ehesachen basieren auf den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates (so Wójcik Mariusz P. W: Jakubecki Andrzej (red.) i in., Kodeks postępowania cywilnego, Komentarz aktualizowany. Tom II. Art. 730-1217, LEX/el. 2019). Nach Art. 11031 Abs. 1 Punkt 3 der polnischen Zivilprozessordnung unterliegen Ehesachen und Angelegenheiten der ehelichen Güterstände auch dann der inländischen Gerichtsbarkeit, wenn der klagende Ehepartner ein polnischer Staatsbürger ist und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Polen seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor Beginn des Verfahrens hat. Gemäß der herrschenden Lehre und der zielgerichteten Auslegung des vorstehenden Artikels muss der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers in Polen mindestens sechs Monate ununterbrochen andauern (Ereciński Tadeusz. Art. 1103(1). W: Kodeks postępowania cywilnego. Komentarz. Tom VI. Międzynarodowe postępowanie cywilne. Sąd polubowny (arbitrażowy), wyd. V. Wolters Kluwer, 2017).

In dieser Situation kann es dem Antragsteller, durch die Anmeldung in Deutschland, die Arbeit in Deutschland oder den Bezug bestimmter Sozialleistungen in Deutschland, unmöglich gemacht werden, nachzuweisen, dass er sich einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens sechs Monaten in Polen aufgehalten hat und sich sein gewöhnlicher Aufenthalt mithin dort befindet.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Fehlen einer inländischen Gerichtsbarkeit schwerwiegende rechtliche Folgen hat. Gemäß Artikel 1099 Absatz 1 der polnischen Zivilprozessordnung wird das Gericht das Fehlen einer inländischen Gerichtsbarkeit von Amts wegen in jedem Stadium des Falles prüfen. Stellt das Gericht fest, dass es keine inländische Gerichtsbarkeit hat, so weist es den Antrag oder die Klage vorbehaltlich des Artikels 1104 Absatz 2 oder des Artikels 1105 Absatz 6 ab. Darüber hinaus ist gemäß Artikel 1099 Absatz 2 der polnischen Zivilprozessordnung das Fehlen einer nationalen Gerichtsbarkeit ein Grund für die Nichtigkeit des Verfahrens. In der Praxis kann dies bedeuten, dass der Beklagte, wenn er ein deutscher Staatsangehöriger ist und im Gerichtsverfahren vor einem polnischen Gericht den Einwand der Unzuständigkeit korrekt erhebt und entsprechende Beweise vorlegt und das polnische Gericht den Fall weiter verhandelt, der Beklagte den Einwand der Nichtigkeit des Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz im Berufungsverfahren erheben kann. Letztendlich kann sich herausstellen, dass nach einem mehrjährigen Gerichtsverfahren der Scheidungsfall von Anfang an nichtig ist und beim nächsten Mal in Deutschland geführt werden muss.

Es ist zu beachten, dass dieser Artikel keine Rechtsberatung darstellt. Es stellt die individuellen Überlegungen des Autors zu den darin aufgeworfenen Fragen und den daraus resultierenden Erfahrungen dar. Bei Scheidungsfällen mit grenzüberschreitendem Bezug ist es sehr wichtig, bereits vor der Antragstellung eine auf grenzüberschreitende Fälle spezialisierte Anwaltskanzlei einzuschalten, um den unnötigen Stress im Zusammenhang mit Scheidungsfällen und die möglichen Kosten von zwei Gerichtsverfahren in Polen und Deutschland zu vermeiden.

Berlin, Posen, Stettin, den 21.11.2019

Pawel Majewski, LL.M. (Universität Potsdam)

Polnischer Anwalt / Radca Prawny