1) Einführung

In jüngster Zeit hatte die polnische Anwaltskanzlei MAJEWSKI die Möglichkeit, sich näher mit den Themen der Betreuung auf internationaler Ebene auseinanderzusetzen. In dem betroffenen Fall ging es um einen Mann mit doppelter Staatsangehörigkeit (polnische und deutsche), für den wegen einer schweren Krankheit ein zuständiges Gericht in Deutschland eine Betreuerin bestellt hat. Als Betreuerin dieses Mannes wurde als nahestehendes Familienmitglied seine Tochter ernannt. Das rechtliche Problem, mit dem die polnische Kanzlei konfrontiert wurde, war die Anerkennung der Entscheidung des deutschen Gerichts zur Ernennung einer Betreuerin in Polen sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit dieser Entscheidung vor den polnischen Staatsbehörden.

Problematisch war in diesem Fall, dass die Institutionen der Betreuung und Pflegschaft in der polnischen und deutschen Rechtsordnung teilweise unterschiedlich geregelt sind. Diese Unterschiede der beiden Rechtssysteme können zu Schwierigkeiten bei der Ausübung der Rechte durch den Betreuer oder den Pfleger in Polen führen.

2) Entmündigung nach polnischem Recht

Laut Art. 13 § 1 des polnischen BGB kann eine Person, die das dreizehnte Lebensjahr vollendet hat, in vollem Umfang entmündigt werden, wenn sie infolge einer Geisteskrankheit, einer Geistesschwäche oder einer anderen psychischen Störung, insbesondere Trunksucht oder Drogenabhängigkeit, nicht in der Lage ist, ihre Handlungsweise selbst zu bestimmen. Ein voll Entmündigter ist unter Vormundschaft zu stellen, es sei denn, dass er noch unter elterlicher Fürsorge steht (art. 13 § 2 des polnischen BGB).

Eine volljährige Person (d.h. wenn die Person das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat) kann wegen einer Geisteskrankheit, einer Geistesschwäche oder einer anderen psychischen Störung, insbesondere Trunksucht oder Drogenabhängigkeit, teilweise entmündigt werden, wenn ihr Zustand keine volle Entmündigung erfordert, jedoch eine Unterstützung bei der Durchführung ihrer Angelegenheiten begründet. Für den teilweise Entmündigten ist eine Pflegschaft anzuordnen (art. 16 § 1 u. 2 des polnischen BGB).

In Deutschland wurde hingegen die Entmündigung durch die rechtliche Betreuung ersetzt.

 3) Anerkennungsfragen im polnischen Recht

Die Aufgabe der Kanzlei bestand darin, dass die Entscheidung des deutschen Gerichts in Polen anerkannt wird, damit die Betreuerin alle Vermögensfragen ihres Vaters in Polen erledigen kann. Zuerst musste jedoch geklärt werden, wie der Beschluss des deutschen Amtsgerichts über die Ernennung einer Betreuerin ausgelegt werden soll.

Von der Anerkennung der Entscheidung eines ausländischen Gerichts hängt ihre Wirksamkeit in Polen ab. Es ist jedoch zu erwähnen, dass nicht alle Entscheidungen eine Anerkennung in Polen bedürfen. Eine direkte Wirksamkeit der Entscheidungen der Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten kann sich kraft Gesetzes aus den EU-Verordnungen ergeben, ohne dass ein besonderes Anerkennungsverfahren in Polen eingeleitet werden muss.

Wird ein deutsches Urteil anerkannt, ist es wichtig festzustellen, ob das Urteil in einem Zivilverfahren ergangen ist. Unter einer Zivilsache versteht man in der polnischen Zivilprozessordnung eine Zivil-, Familien-, Betreuungs-, Arbeitsrechts- sowie eine Sozialversicherungssache sowie andere Sachen, für die die Bestimmungen der polnischen Zivilprozessordnung aufgrund besonderer Gesetze gelten.

Das polnische Landgericht, das in diesem Fall den Antrag auf Anerkennung des Urteils des deutschen Gerichts geprüft hat, stellte vorab fest, dass die Grundsätze für die Anerkennung der Wirksamkeit ausländischer Gerichte durch die Bestimmungen der Zivilprozessordnung geregelt sind. Das polnische Gericht wies ferner darauf hin, dass gemäß Artikel 1145 der polnischen Zivilprozessordnung (Kodeks Postępowania Cywilnego) ausländische Urteile, die in Zivilsachen ergangen sind, der Anerkennung durch das Gesetz unterliegen, es sei denn, es liegen Hindernisse vor, die in Artikel 1146 der polnischen Zivilprozessordnung aufgeführt sind.

4) Hindernisse der Anerkennung der ausländischen Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse) in Polen

Gemäß Artikel 1146 der polnischen Zivilprozessordnung wird eine Entscheidung in folgenden Fällen nicht anerkannt:

1) Sie ist in dem Staat, in dem sie erteilt wurde, nicht rechtskräftig;

Die Rechtskräftigkeit eines Urteils bedeutet nach Ansicht des polnischen Obersten Gerichtshofs (Urteil vom 31. Mai 2000, I CKN 183/2000) eine formelle Rechtskräftigkeit, d.h. einen Zustand, der die Unmöglichkeit der Aufhebung oder Änderung einer Entscheidung im Laufe des Verfahrens, in dem die Entscheidung getroffen wurde, voraussieht.

2) Sie wurde in einer Sache erlassen, für die ausschließlich die polnischen Gerichte zuständig sind;

3) Einem Beklagten, der keine Verteidigungsbereitschaft erklärt hat, wurde das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht rechtzeitig und nicht in einer Weise zugestellt, dass er sich verteidigen konnte;

4) Der Partei wurde die Möglichkeit genommen, sich während des Verfahrens zu verteidigen;

5) Die Sache wurde wegen derselben Forderung zwischen denselben Parteien in Polen früher anhängig, als vor einem Gericht eines ausländischen Staates; 

6) Sie steht im Widerspruch zu einer zuvor ergangenen rechtskräftigen Entscheidung eines polnischen Gerichts oder einer zuvor ergangenen rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts eines ausländischen Staates, die die Voraussetzungen für eine Anerkennung in der Republik Polen erfüllt und in einer Rechtssache über dieselbe Forderung zwischen denselben Parteien ergangen ist;

7) Eine solche Anerkennung steht im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung der Republik Polen (ordre public); 

In einem der oben genannten Fälle unterliegt die Entscheidung eines ausländischen Gerichts nicht der Anerkennung in Polen. Die Prüfung dieser Ausschlusskriterien wird vom Gericht von Amts wegen durchgeführt.

5) Notwendige Unterlagen zur Anerkennung der ausländischen Entscheidungen

Eine Person, die sich auf die Anerkennung einer Entscheidung eines ausländischen Gerichts in Polen berufen möchte, ist verpflichtet, nach den Bestimmungen der polnischen Zivilprozessordnung, folgende Unterlagen vorzulegen:

1) eine offizielle Abschrift der Entscheidung;

2) eine Urkunde, in der es heißt, dass die Entscheidung rechtskräftig ist, es sei denn, die Rechtskräftigkeit der Entscheidung ergibt sich aus deren Inhalt;

3) eine beglaubigte Übersetzung der oben genannten Dokumente ins Polnische.

6) Fazit

Eine Entscheidung des deutschen Gerichts über die Bestellung eines Betreuers bedarf zu deren Wirksamkeit in Polen keine zusätzliche gerichtliche Anerkennung. Der Betreuer einer Person ist daher aufgrund eines solchen Beschlusses des deutschen Gerichts befugt, die Angelegenheiten, zu denen er im Rahmen seiner Rolle als Betreuer befugt ist, auch auf dem Gebiet Polens zu erledigen.

Unabhängig davon, kann jede Person, die das rechtliche Interesse hat, bei einem polnischen Gericht beantragen, dass die Entscheidung eines ausländischen Gerichts in Polen anerkannt wird. Das rechtliche Interesse ist eine Voraussetzung des Verfahrens und sollte schon in dem Antrag angegeben werden. Dem Antrag auf Anerkennung sind die in dem Punkt 5 angezeigten Unterlagen beizufügen.

Die Notwendigkeit der Anerkennung eines solchen Beschlusses über Bestellung eines Betreuers kann sich aus dem rechtswidrigen Verhalten der Firmen, Institutionen oder Personen ergeben, die die Erteilung der Auskunft über Vermögensverhältnisse einer Person, für die ein Betreuer in Deutschland bestellt wurde, von der Vorlage eines Beschlusses über Anerkennung der Entscheidung abhängig machen. In solchen Fällen ist es manchmal schneller und günstiger vorab eine Anerkennung der Entscheidung zu beantragen, als mit solchen Firmen, Institutionen oder Personen in einen Streit zu treten.     

Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Es stellt die individuellen Überlegungen der Mitarbeiter der polnischen Anwaltskanzlei MAJEWSKI zu den darin aufgeworfenen Fragen und den daraus resultierenden Erfahrungen dar. In Fällen, die die Anerkennung eines ausländischen Urteils betreffen, ist es sehr wichtig vor der Antragstellung die Unterstützung einer auf grenzüberschreitende Fälle spezialisierten Anwaltskanzlei in Anspruch zu nehmen.

Berlin, Posen, Stettin, den 08.01.2020

MAJEWSKI polnische Anwaltskanzlei