Im Prinzip steht jedem Gesellschafter einer polnischen GmbH-Gesellschaft (spolka z o.o.) das Recht zur Kontrolle der Gesellschaft zu.
Dieses Recht ergibt sich aus dem Art. 212 § 1 des polnischen Gesetzes über Handelsgesellschaften (ferner als HGG genannt). Danach haben die Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf Verlangen Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben. Die Geschäftsführer sind auch verpflichtet, dem Gesellschafter Einsicht in die Bücher der Gesellschaft zu gewähren. Der Gesellschafter ist berechtigt eine Bilanz zum eigenen Gebrauch erstellen und Aufklärung von Geschäftsführung zu verlangen.
Das Auskunftsrecht kann jederzeit geltend gemacht werden. Es muss nicht eine Gesellschafterversammlung abgewartet werden. Es ist auch nicht erforderlich, dass ein besonderer Anlass für den Informationsbedarf besteht.
Das Informationsrecht gewinnt an Bedeutung, wenn einem Gesellschafter keine Informationen mehr über die Angelegenheiten der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden oder die finanzielle Lage der Gesellschaft unbekannt ist. Falls zu einer solchen Situation kommt, ist meistens die Geschäftsführung daran nicht mehr interessiert, dem Gesellschafter die Informationen freiwillig zu erteilen. Die Geschäftsführung behauptet oft, dass die Ausübung eines Informationsrechts von dem Gesellschafter missbraucht wird.
Im Falle der Verweigerung des Informationsrechts kann der Gesellschafter verlangen, dass die Gesellschafterversammlung die Entscheidung darüber trifft (so nach Art. 212 § 3 S. 1 HGG). Wird das Informationsrecht auch durch den Beschluss der Gesellschaftern verweigert, so kann der Gesellschafter gegen die Gesellschaft ein besonderes Informationserzwingungsverfahren betreiben. Der Gesellschafter darf nämlich beim polnischen Registergericht (entspricht deutschem Handelsregister) einen Antrag stellen, die Gesellschaft zur Erteilung von Aufklärungen oder zur Ermöglichung der Einsicht in Unterlagen und Bücher der Gesellschaft (so Art. 212 § 4 S. 1 HGG). Bei der Antragstellung sind die im Art. 212 § 3 S. 1 und § 4 S. 2 festgesetzte Fristen zu berücksichtigen.
Praxis:
Die Ausübung der Informationsrechte kann sich in den bestimmten Fällen erschweren, wenn z.B. ein deutscher Gesellschafter über polnische Sprachkenntnisse nicht verfügt. Zwar aus dem Art. 212 § 1 S. 2 HGG ergibt sich, dass ein Gesellschafter oder ein Gesellschafter zusammen mit einer durch ihn ermächtigten Person jederzeit die Bücher und Unterlagen der Gesellschaft einsehen kann. Im Schrifttum weist man jedoch darauf hin, dass diese ermächtigte Person den Gesellschafter bei der Ausübung der Kontrollrechte begleiten kann. Die ermächtigte Person darf allein anstatt des Gesellschafters keine Kontrolle ausüben (so R. Pabis in J.Bieniak u.a. , Kodeks spolek handlowych. Komentarz, C.H.Beck 2011, S. 805).
Das zieht gewisse praktische Probleme nach sich. Wenn sich der Sitz der polnischen Gesellschaft in Warschau oder in Danzig befindet und der Gesellschafter - Kapitalanleger in München oder in Frankfurt am Main wohnt und dort arbeitet, ist es bestimmt nicht leicht, zwecks Ausübung der Kontrollrechte, jederzeit persönlich nach Polen zu fahren. Außerdem kann eine solche Kontrolle ein paar Wochen in Anspruch nehmen.
Ich bin mit der oben erwähnten Auffassung des Kommentars zum polnischen Gesellschaftsrecht nicht einverstanden. Leider vertreten manche polnischen Gerichte auch solche Auffassung. Ein solches Erfordernis erschwert meines Erachtens die Ausübung der Informationsrechte durch die ausländischen Gesellschafter. Man darf jedoch ein solches Risiko nicht außer Acht lassen.
Um dieses Risiko zu begrenzen, sollte man beim Erwerb der Geschäftsanteile oder bei der Gründung der Gesellschaft die entsprechenden Bestimmungen zum Gesellschaftsvertrag einzuführen. Ein Gesellschafter – Kapitalanleger sollte sich die Informationsrechte durch Änderung des Gesellschaftsvertrages und Einführung der entsprechenden Bestimmungen zusätzlich absichern. Die gesetzliche Regelung kann ungenügend sein, um die Informationsrechte umfassend zu schützen.
Es ist zu beachten, dass meistens die übrigen Gesellschafter nur am Anfang der Zusammenarbeit bereit sind, über Änderung oder Anpassung des Gesellschaftsvertrages zu sprechen. In dem Lehre ist man damit einverstanden, dass eine Erweiterung der Kontrollbefugnisse des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft möglich ist (A. Szumanski in. S. Soltysinski u.a., Kodeks spolek handlowych Tom II Spolka z ograniczona odpowiedzialnoscia, 3. Aufl. C.H.Beck 2014, S. 527).
Berlin, Posen, Stettin, den 28.03.2019
Paweł Majewski, LL.M. (Universität Potsdam)
Polnischer Anwalt / Radca Prawny (Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin)