Die Ausübung einer Geschäftstätigkeit auf der Grundlage der geltenden polnischen Gesetze kann viele Rechtsformen annehmen. Die Beliebtesten davon sind in Polen:

▪ Individuelle Gewerbe

▪ Gesellschaft bürgerlichen Rechts

▪ Personenhandelsgesellschaften, d.h.:

  • Offene Handelsgesellschaft
  • Partnerschaftsgesellschaft
  • Kommanditgesellschaft
  • Kommanditgesellschaft auf Aktien

▪ Kapitalhandelsgesellschaften, d.h:

  • Gesellschaft mit beschränkter Haftung
  • Aktiengesellschaft

Dieser Artikel befasst sich mit der Frage der Veruntreuung in Bezug auf Personen- und Kapitalhandelsgesellschaften durch die Gesellschafter und andere vertretungsberechtigte Personen in Polen.

Firmengeld oder Gesellschaftergeld?

Es kommt häufig vor, insbesondere bei Personengesellschaften, dass im Bewusstsein der Unternehmer (Gesellschafter) die Grenze zwischen dem, was ihr Privateigentum ist, und dem, was das Eigentum des Unternehmens ist, verwischt wird. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass das Unternehmen mit dem Zeitpunkt seiner Gründung zu einer eigenständigen juristischen Person wird, die über bestimmte Vermögenswerte verfügt. Zum Zeitpunkt der Leistung von Einzahlungen (Aufnahme von Aktien oder Anteilen) durch die Gesellschafter sind diese bereits Eigentum der Gesellschaft selbst. In der Regel haben Gesellschafter nur bestimmte finanzielle Ansprüche gegen die Gesellschaft, z.B. auf Gewinnausschüttung oder Dividendenzahlung.

Bei den Geschäftsführungsmitgliedern stellt sich die Situation etwas anders dar. Sie können Ansprüche gegen das Unternehmen haben, z.B. auf Zahlung von Vergütungen oder zur Deckung von Ausgaben für die Unternehmensvertretung. Daher ist es gerechtfertigt und nicht illegal, für diesen speziellen Zweck Geld von dem Unternehmen zu nehmen.

In jedem Fall ist es jedoch eine Straftat, wenn sie (sowohl Partner als auch Geschäftsführer) ohne rechtliche Grundlage Geld vom Konto oder der Kasse des Unternehmens nehmen.

Arten von Straftaten

Zu Beginn sollten bestimmte Artikel aus dem polnischen Strafgesetzbuch (pStGB) zitiert werden, auf deren Grundlage das Verhalten von Gesellschaftern und Geschäftsführungsmitgliedern in einem solchen Fall beurteilt werden sollte.

Diese Artikel sind:

Art. 284 § 2 pStGB: Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, die ihm anvertraut worden ist, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Art. 278 § 1 pStGB: Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich rechtswidrig anzueignen, ist mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Art. 296 § 1 pStGB: Wer aufgrund eines Gesetzes, Beschlusses der zuständigen Stelle oder eines Rechtsvertrages verpflichtet ist, Vermögensinteressen oder Wirtschaftstätigkeiten einer juristischen Person oder Organisationseinheit ohne Rechtspersönlichkeit zu vertreten, die ihm eingeräumten Befugnisse missbraucht oder die ihm obliegenden Pflichten vernachlässigt und dadurch einen erheblichen Vermögensschaden verursacht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Im Zusammenhang mit dem Inhalt von Artikel 296 § 1 pStGB ist auch die gesetzliche Definition des "erheblichen Vermögensschaden" zu zitieren:

Art. 115 § 5 pStGB: Vermögen von erheblichem Wert ist ein Vermögen, dessen Wert zum Zeitpunkt der Tatbegehung 200 000 PLN übersteigt.

Art. 115 § 7 pStGB: Die Vorschriften der § 5 und § 6 finden auf die Begriffe "erheblicher Schaden" und "der Wert oder der Gesamtwert ist erheblich" Anwendung.

Wir werden daher nur dann über die Begehung einer Straftat nach Artikel 296 § 1 des pStGb sprechen, wenn der dem Unternehmen zugefügte Schaden 200.000,00 PLN übersteigt. Diese Geldmasse muss jedoch nicht auf einmal entfernt werden. Wenn dieselbe Person eine solche Straftat mehrfach begeht, handelt es sich um eine fortlaufende Handlung (12 § 1 des pStGB), und dann wird die Höhe des Schadens zusammengerechnet.

Übrigens ist hinzuzufügen, dass Artikel 296 § 2 pStGB eine zusätzlich verschärfte Strafbarkeit für Handlungen mit dem Ziel der Erzielung eines eigenen finanziellen Vorteils (Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 8 Jahren), und Artikel 296 § 3 pStGB für das Verursachen von Sachschäden großen Ausmaßes, d.h. - gemäß Artikel 115 § 6 pStGB - die den Wert von einer Million PLN überschreiten (Freiheitsstrafe von 1 bis 10 Jahren), vorsehen.

Darüber hinaus ist nach der gängigen Lehrmeinung und Rechtsprechung der Gegenstand der Straftat in Artikel 284 § 1 pStGB - "das bewegliche Vermögen eines anderen" -  auch Geld. (Urteil der SA in Warschau vom 21.10.2016, II AKa 236/16, LEX Nr. 2184500).

Begehung von Straftaten

Es ist keineswegs so, dass es für die Begehung der oben genannten Straftaten notwendig ist, einen Plan zu auszuarbeiten, vorzubereiten oder Vereinbarungen mit anderen zu treffen. Die Begehung der oben genannten Eigentumsdelikte durch Gesellschafter des Unternehmens oder Geschäftsführer kann in sehr unkomplizierten Handlungen bestehen, wie z.B:

  • Abholung von Geld aus der Kasse des Unternehmens,
  • eine Überweisung von einem Firmenkonto auf ein Privatkonto ohne rechtliche Grundlage,
  • Ergreifung eines Firmengegenstandes und dessen Verwendung für eigene Zwecke,
  • Ausgabe des Geldes des Unternehmens für Dienstleistungen, die nicht wirklich stattgefunden haben (hier arbeitet der Täter meist mit einer anderen Person, die diese Dienstleistungen erbringen sollte und die stellt eine falsche Rechnung aus).

Leider sind sich die Täter oft des verwerflichen Verhaltens voll bewusst und nutzen sogar ihre Position im Unternehmen, um unbemerkt den größtmöglichen finanziellen Nutzen für sich zu erzielen.

Manchmal rechtfertigen die Täter ihre Handlungen jedoch damit, dass sie nur das Geld zurücknehmen, dass sie zuvor in das Unternehmen eingebracht haben, oder dass sie den Gewinn an sich nehmen, den das Unternehmen dank ihrer Bemühungen erzielt hat. Manchmal behaupten sie auch, dass sie die Verluste ausgleichen, die das Unternehmen ihnen zuvor eingebracht hat. Dies rechtfertigt jedoch entgegen der landläufigen Meinung nichts.

Alle finanziellen Abrechnungen zwischen den Gesellschaftern / Geschäftsführungsmitgliedern und der Gesellschaft sollten detailliert beschrieben und dokumentiert werden, um sich später nicht der oben genannten strafrechtlichen Verantwortung aussetzen zu müssen.

Wenn z.B. ein Gesellschafter in einer Periode bedrohter finanzieller Liquidität der Gesellschaft Geld für ihren weiteren Betrieb "beisteuert", sollte dies in den Darlehensvertrag aufgenommen werden (der dem Finanzamt gemeldet und entsprechend besteuert werden sollte). In einem solchen Fall wird die spätere Rückzahlung des Geldes an den Gesellschafter nicht mehr ohne rechtliche Grundlage erfolgen, da diese Grundlage die Rückzahlung des Darlehens sein wird.

Wer kann ein Verbrechen begehen?

Jede Handelsgesellschaft hat ihre eigene, im Gesetz festgelegte Art und Weise der Führung der Unternehmensangelegenheiten und Vertretung. Es wird einfach gesagt, dass die "Führung der Unternehmensangelegenheiten" die Beziehungen innerhalb des Unternehmens und die "Vertretung" die Beziehungen nach außen betrifft.

Warum ist dies wichtig? Nicht alle Gesellschafter haben die gleichen Rechte auf Führung der Unternehmensangelegenheiten und Vertretung von Unternehmen. Die mögliche strafrechtliche Verantwortung für die Veruntreuung von Firmenvermögen hängt jedoch davon ab, welche Rechte sie haben.

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sollte zu Beginn erwähnt werden. Es handelt sich jedoch nicht um eine Handelsgesellschaft. Die Gesellschafter, die diese Firma bilden, führen einzelne Geschäftsaktivitäten auf der Grundlage eines Eintrags in der CEIDG durch. Sie vereinbaren nur auf der Grundlage eines zivilen Gesellschaftsvertrags, dass sie gemeinsam einen Geschäftsplan umsetzen werden. Die Gelder, die für die Durchführung dieses Projekts bereitgestellt werden, stellen jedoch nicht mehr ihr persönliches Eigentum dar, sondern es entsteht für sie kraft Gesetzes Miteigentum (ohne Beteiligung), wie im Falle des gemeinsamen Eigentums der Ehegatten. Im Falle der Veruntreuung von Geldern der Gesellschaft durch einen der Gesellschafter ohne Zustimmung des anderen, greift der Straftatbestand der Veruntreuung gemäß Art. 284 § 1 pStGb. Siehe: Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 3.12.1920, 1794/1920, OSN 1920, Nr. 1, Punkt 93.

Personengesellschaften

Bei Personenhandelsgesellschaften sind die Gesellschafter, die nach dem Handelsgesetzbuch die Vertretung der Gesellschaft übernehmen, von denjenigen zu unterscheiden, die dieses Recht nicht haben.

Nur diejenigen, die durch Gesetz oder Vertrag befugt sind, über das Vermögen der Gesellschaft zu verfügen (Vertretung), können eine Straftat nach Artikel 284 § 2 pStGb und Artikel 296 § 1 pStGB begehen. Siehe: Urteil der SA in Warschau vom 19.09.2012, II AKa 227/12, LEX Nr. 1238266.

Dazu zählen folgende Personen:

  • alle Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft - Art. 29 § 1 des polnischen Handelsgesellschaftengesetzbuches (pHGB),
  • alle Partner der Partnerschaft (sowie die Mitglieder des Vorstands, wenn der Vorstand ernannt wurde) - Art. 96 § 1 pHGB,
  • Komplementäre einer Kommanditgesellschaft - Artikel 117 pHGB,
  • Komplementäre einer Kommanditgesellschaft auf Aktien - Artikel 137 § 1 pHGB.

Auf der anderen Seite werden diejenigen Gesellschafter, die kein Vertretungsrecht haben, für gewöhnlichen Diebstahl gemäß Artikel 278 § 1 pStGB haftbar sein, da das Eigentum der Gesellschaft "das Eigentum eines anderen" ist und ihnen nicht "anvertraut" wird.

Dazu zählen folgende Personen:

  • Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft,
  • Aktionäre einer Kommanditgesellschaft auf Aktien.

Die obigen Erwägungen berücksichtigen keine Ausnahmesituationen, wie z.B. wenn ein Kommanditist oder ein Aktionär die Gesellschaft auf der Grundlage einer gesonderten Vollmacht vertritt oder wenn ein Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Partnerschaft ausnahmsweise vom Recht zur Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Jeder dieser Fälle sollte individuell analysiert werden.

Kapitalgesellschaften

Bei Kapitalgesellschaften haben die Gesellschafter (oder Aktionäre) nicht das Recht, die Gesellschaft zu vertreten. Nur der Vorstand / Geschäftsführung hat dieses Recht. Für die Straftaten nach Artikel 284 § 2 pStGB und Artikel 296 § 1 pStGB im Falle der Veruntreuung von Geldern aus den Mitteln des Unternehmens sind daher nur die Mitglieder der Geschäftsführung verantwortlich.

Aktionäre oder Anteilseigner können wie Gesellschafter von Personengesellschaften, denen das Vertretungsrecht entzogen wurde, nach Artikel 278 § 1 pStGB haftbar gemacht werden.  Siehe: Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 1.02.2017, CC 332/16, LEX Nr. 2209103.

Zusammenfassung

Das in diesem Artikel beschriebene Verhalten von Unternehmern ist nicht ungewöhnlich. Es fehlt jedoch ein rechtliches Bewusstsein für ihren strafrechtlichen Charakter und die Höhe der angedrohten Strafe. Es sei darauf hingewiesen, dass alle in diesem Artikel aufgeführten Straftaten mit Freiheitsstrafe bedroht sind.

Darüber hinaus wird dem Täter im Falle einer Verurteilung gemäß Artikel 18 § 2 pHGB die Möglichkeit genommen, Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates, des Prüfungsausschusses oder Liquidator oder Prokurist in einer anderen handelsrechtlichen Gesellschaft zu werden. Dieses Verbot gilt für 5 Jahre (es sei denn, die Verurteilung wird früher getilgt).

Die Folgen sind daher sehr schwerwiegend.

Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar.

Wenn eine strafrechtliche Haftung droht und man sich davor schützen möchte oder wenn es notwendig ist, die Interessen eines Unternehmens zu schützen, das durch die Handlung eines illoyalen Gesellschafters (Geschäftsführungsmitglied) geschädigt wurde, empfiehlt es sich, professionellen Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen.

Berlin, Posen, Stettin, den 10.11.2020

Adwokat Agata Julia Stankiewicz

MAJEWSKI Polnischer Anwalt