Eine verletzte Person ist jemand, die Opfer einer Straftat wurde. Sehr oft erleidet man infolge einer Straftat nicht nur körperliche und seelische Schmerzen, sondern hat auch messbare und schwerwiegende finanzielle Folgen.

Wenn sich beispielsweise ein Opfer nach einer Schlägerei einer Rehabilitations- und Behandlungsmaßnahme unterzieht, hat es gegen den Täter Anspruch sowohl auf ein angemessenes Schmerzensgeld z.B. für Stress, Depression, Angst als auch auf Schadensersatz für die Behandlungskosten (Medikamente, Verbände, Krücken usw.).

Das polnische Strafverfahren bietet die Möglichkeit, solche Ansprüche geltend zu machen. Dies ist im Artikel 46 des polnischen Strafgesetzbuches vorgesehen. Demnach kann das Gericht bei der Verurteilung und auf Antrag des Geschädigten die Pflicht, den durch die Straftat angerichteten Schaden ganz oder teilweise wiedergutzumachen, anordnen. Dies ist mit dem deutschen Adhäsionsverfahren vergleichbar.

Dies bedeutet, dass das Gericht von Amts wegen entscheiden kann, ob der Täter verpflichtet ist, Schmerzensgeld oder Schadensersatz zu zahlen. Wenn der Geschädigte jedoch einen Antrag nach Artikel 46 des polnischen Strafgesetzbuches stellt, muss das Gericht obligatorisch über Schmerzensgeld oder Schadensersatz entscheiden. Die geschädigte Partei kann einen solchen Antrag stellen, bis das Gerichtsverfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht abgeschlossen ist. Später ist dies im Strafverfahren nicht mehr möglich.

Glücklicherweise hat die geschädigte Partei danach noch die Möglichkeit ihre Ansprüche im Zivilverfahren geltend zu machen.  

Nach Artikel 415 § 2 der polnischen Strafprozessordnung kann die verletzte Person weitere Ansprüche im Zivilverfahren geltend machen, insofern die im Strafverfahren festgesetzte Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz, Schmerzensgeld oder Bußgeld nicht den gesamten Schaden begleicht oder den erlittenen Schmerzen nicht in vollem Umfang gerecht wird.

Ein Zivilverfahren ist auch geeignet, um die Ansprüche einer verletzten Person zu verfolgen, die in einem Strafverfahren keinen Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch zugesprochen bekommen hat, weil sie beispielsweise keinen Antrag gestellt und das Gericht nicht von Amts wegen entschieden hat.

In einem solchen Fall stützen sich die Ansprüche der geschädigten Person auf die Artikel 415, 444 und 445 des polnischen Zivilgesetzbuches.

Zu beachten ist auch der Inhalt von Artikel 442 1 § 2 des polnischen Zivilgesetzbuches. Demnach verjährt der Anspruch auf Schadenersatz nach Ablauf von zwanzig Jahren ab dem Tag des Begehens der Straftat (Verbrechen oder Vergehen), unabhängig davon, wann der Geschädigte von dem Schaden und von der zum Schadenersatz verpflichteten Person Kenntnis erlangt hat.

Gemäß Art. 442 1 §  3 des Zivilgesetzbuches kann die Verjährung, im Falle eines Personenschadens, nicht früher als nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tag, an dem der Geschädigte von dem Schaden und von der zum Schadensersatz verpflichteten Person Kenntnis erlangt hat, eintreten.

Besonders interessant ist, dass das polnische Zivilgericht auch dann, wenn der Täter im Strafverfahren freigesprochen wurde oder es keine strafrechtliche Verurteilung gab, eine davon unabhängige Möglichkeit hat, festzustellen, dass der vom Geschädigten im Zivilverfahren angezeigte Schaden durch eine Straftat verursacht wurde (Beschluss des Obersten Gerichtshofs (7 Richter) vom 25. Mai 2018, III CZP 108/17). In einem solchen Fall entscheidet das Zivilgericht auf der Grundlage von Strafrechtsnormen (Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 21.11.2001, II UKN 633/00).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die verletzte Person Anspruch auf eine Reihe von Rechtsbehelfen hat, um Schmerzensgeld und Schadensersatz zu erhalten.

Erst eine gründliche Analyse des Einzelfalls ermöglicht es, zu entscheiden, welche Schritte unternommen werden sollten, um die Ansprüche der verletzten Person so schnell wie möglich zu befriedigen.

Berlin, Posen, Stettin, den 23.11.2020

Adwokat Agata Stankiewicz

MAJEWSKI Polnischer Anwalt