In dem polnischen Bauprozess spielen Sachverständige-Gutachten eine wichtige Rolle. Die Vorbereitung einer Klage in einem Bauprozess bedarf meistens die Einholung eines Privatgutachtens, um den Anspruch entsprechend gut zu begründen. Das Gutachten des privaten Sachverständigen ersetzt jedoch die Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen im Rahmen des Hauptverfahrens nicht. Ein Verzicht auf Beweis der Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen führt oft zu einer bitteren Niederlage.

Die Vorlage eines privaten Sachverständigengutachtens hat allerdings in jedem Fall den Vorteil, dass ein Privatgutachten für den gerichtlichen Sachverständige einen Bezugspunkt darstellt. Wenn dazu der Sachverständige sachkundig ist und über Autorität verfügt und sein Gutachten umfassend sowie überzeugend ist, können seine Ergebnisse von einem gerichtlichen Sachverständigen als Eigene übernehmen werden. Aus unsere Erfahrung ergibt sich, dass das Sachverständige-Gutachten über Ergebnis des Gerichtsverfahrens entscheidet. Aus diesem Grund sollte dieser Beweis nicht unterschätzt werden.

Vor kurzem hat sich das polnischen Hauptgericht (entspricht dem deutschen BGH) mit einem folgenden Fall beschäftigt. Ein polnischer Bauherr hat einen polnischen Generalunternehmer wegen Baumängel verklagt. Zwecks Begründung des Schadenersatzanspruchs hat er ein Privatgutachten eingeholt. Das Gericht erster Instanz hat das Privatgutachten anerkannt und der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat jedoch die Beweiskraft eines Privatgutachtens in dem Berufungsverfahren angefochten. Was unseres Erachtens nach zu erwarten war. Das Berufungsgericht hat die Klage als nicht nachgewiesen abgewiesen. Es stellte sich zusätzlich heraus, dass der private Sachverständige eine Augenscheinseinnahme des Bauwerks nicht durchgeführt hat.

Das polnische Hauptgericht sei in dem Urteil vom 24. April 2018 r. Az. V CSK 366/17 der Meinung, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts fehlerhaft war. Ohne Zweifel wurde die Gebäude mängelhaft gebaut. Wenn das Berufungsgericht dem Privatgutachten nicht vertraue, solle es ein Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen von Amts wegen selbst einholen, und feststellen, ob die Mängel tatsächlich vorhanden sind und wenn ja, dann in welcher Höhe.

Diese Entscheidung hat die Situation des Klägers gerettet, da sich das Berufungsgericht jetzt mit diesem Fall weiter beschäftigen wird und das Beweisverfahren ergänzen muss. Man könnte sich jedoch diese Ärger durch einen Antrag auf Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen im Rahmen des Hauptverfahrens vor dem Gericht erster Instanz sparen. Ein zweiter wesentlicher Aspekt dieses Falles betrifft das Privatgutachten selbst. Ein Privatgutachten soll möglichst umfassend bearbeitet werden. Eine Augenscheinseinnahme ist im Falle der Bauarbeiten eigentlich ein Muss. Man muss damit rechnen, dass fast in jedem Fall der Sachverständige in einem späteren Gerichtsverfahren als Zeuge aussagen wird.

Posen, Berlin, Stettin, den 02.05.2018

Pawel Majewski, LL.M. (Universität Potsdam)
Polnischer Anwalt (Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin)